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„Ich will euch nicht abstürzen sehen“ lautet der Titel eines kürzlich auf Zeit online veröffentlichten Artikels. Worum es darum geht? Um so genannte Hypekletterer, wie sie die Redakteurin bezeichnet. Sie beschreibt die Leute, die sich von irgendwelchen Bekannten kurz in die Grundlagen des Sicherns und des Kletterns einweisen lassen. Dabei haben ihre Bekannten selbst oft Wissenslücken und das Sichern nicht in einem Kurs gelernt. Auch wir beobachten jeden Tag in der Halle diese Szenen. „Komm, ich zeig Dir das kurz“ sagt der vermeintlich erfahrene Kletterer zu seinem Kumpel und schon steigt er in die Route ein und lässt sich von einem völlig unerfahrenen Sichernden sichern. Die Folge: gravierende Fehler beim Klettern und Sichern im Vorstieg. Diese Fehler beobachten wir jedoch nicht nur bei Anfängern. Auch Fortgeschrittene begehen täglich Fehler und begeben sich damit in Gefahr.

Uns geht es genauso, wie der Zeit-Redakteurin: Auch wir wollen niemanden dabei beobachten, wie er abstürzt. Deshalb machen wir immer wieder den Mund auf. Manche Leute sind uns sehr dankbar. Sie haben einfach die Gefahren unterschätzt und freuen sich über unsere gut gemeinten Ratschläge. Bei den so genannten „Hypekletterern“ machen wir uns eher unbeliebt. Denn sie wissen ja eigentlich schon alles und wollen nichts über ihre Fehler hören. Sie gehören dann vielleicht irgendwann zu den Unfallopfern, die der DAV jährlich in seiner Unfallstatistik-Klettern DAV veröffentlicht.

Wir wissen: Klettern ist eigentlich ein sehr sicherer Sport. Vorausgesetzt, man macht alles richtig. Deshalb haben wir für euch die häufigsten Fehler zusammengefasst, die wir in der Halle beobachten. Alle können wir hier nicht nennen, leider sind es viel zu viele.

Falls ihr zu denjenigen gehört, die dankbar sind für unsere Ratschläge, lest gerne weiter. Falls nicht: Ihr könnt hier aufhören zu lesen. Viel Glück beim Klettern!

Fehler beim Sichern

Fehler 1: Verletzung des Bremshandprinzips

Immer wieder beobachten wir, dass das Bremshandprinzip verletzt wird. Vor allem beim Seil ausgeben passiert es vielen Sichernden, dass sie ihre Hand öffnen und das Seil nicht mehr richtig umschließen. In unseren Kursen vermitteln wir die aktuelle Lehrmeinung, die besagt: Beim Seil ausgeben sollte der Sichernde das Seil aus dem Sicherungsgerät rausschieben, ohne das Gerät anfassen zu müssen. Mit etwas Übung funktioniert das bei allen Sicherungsgeräten. Auch wenn wir es selbst jedes Mal kaum glauben können, wenn wir es sehen – es geht noch viel schlimmer. Immer wieder beobachten wir Sichernde, die ihre Bremshand GAR NICHT am Bremsseil haben. Wenn wir sie darauf ansprechen, sagen sie, dass sie mit einem Vollautomaten sichern. In Wahrheit wurde dieser jedoch noch nicht erfunden, weshalb das Bremshandprinzip immer gilt. Bei JEDEM Sicherungsgerät.

Fehler 2: Falsche Position des Sichernden vom Wandfuß

Ein weiterer Fehler, den wir bei jedem Besuch in der Kletterhalle beobachten: Der Sichernde steht in einer völlig falschen Position zum Wandfuß. Wer im Vorstieg sichert, sollte bis zum vierten Haken ganz nah zum Wandfuß stehen, entweder rechts oder links versetzt unter dem Kletterer, je nachdem in welcher Richtung er vom Haken aus klettert. Ab dem vierten Haken etwa ist seine richtige Position eine ausgestreckte Beinlänge vom Wandfuß entfernt, direkt unter der Hakenlinie. So kann er bei einem Sturz des Kletterers schnell reagieren, nach oben springen und seinen Kletterpartner dynamisch sichern. Immer wieder sehen wir jedoch Sichernde meterweit von der Wand weg stehen. Die Folge: Bei einem Sturz wird er Richtung Wand gezogen, verliert im schlimmsten Fall die Balance und lässt das Bremsseil los. Außerdem: Jeder Meter, den der Sichernde von der Wand weg steht, bedeutet zusätzlich ausgegebenes Seil. Vor allem bei den unteren Haken bedeutet die unnötige Menge Schlappseil eine größere Gefahr, dass der Kletterer bis zum Boden stürzt oder mit dem Sichernden zusammenprallt.

Fehler 3: Einhängen mit ausgestrecktem Arm über dem Kopf

Bei diesem Fehler beobachten wir selbst augenscheinlich erfahrene Kletterer. Denn die meisten Kletterer fühlen sich automatisch sicherer, sobald sie den nächsten Haken geclippt haben. Doch dabei unterschätzen sie eine Gefahr, die sich dabei logischerweise ergibt. Wer mit ausgestrecktem Arm über dem Kopf clippt, muss viel Seil rausziehen, um überhaupt an den Haken zu kommen. Kommt es zu einem Sturz, bevor der Kletterer das Seil einhängen konnte, verlängert das ausgeholte Seil die Sturzlänge erheblich. Vor allem bei den unteren 6 Haken ist die Gefahr eines Bodensturzes groß. In unseren Kursen veranschaulichen wir unseren Kursteilnehmern diese Gefahr, indem wir sie mit einem Topropeseil sichern und mit einem Vorstiegseil da beschriebene Szenario ausprobieren lassen. Alle sind immer wieder erstaunt, wie weit sie stürzen würden.

Fehler 4: Gewichtsunterschied wird nicht beachtet

„Wir klettern nicht so, dass wir stürzen“ – so lautet eine der gängigsten Antworten, die wir bekommen, wenn wir Seilschaften auf einen offensichtlich zu großen Gewichtsunterschied aufmerksam machen. Ja, mag sein, dass es Kletterer gibt, die in jeder Situation versuchen, Stürze zu vermeiden. Doch immer geht das eben nicht. Manchmal kommt es vor, dass Griffe oder Tritte locker sind, der Kletterer vielleicht einen Krampf bekommt oder einfach versehentlich abrutscht. Ob er also will oder nicht, er stürzt. Ein zu großer Gewichtsunterschied ist nicht nur gefährlich für den Kletterer. Auch der Sichernde kann sich verletzen. Entweder bei einem Zusammenprall mit dem Kletterer, wenn er ungebremst gegen die Wand knallt oder sich mit der Hand an der ersten geclippten Exe verletzt. Im schlimmsten Fall lässt der Sichernde aus Reflex das Bremsseil los, um sich vor dem Aufprall an der Wand zu schützen. Auch bei weniger sturzfreudigen Seilschaften raten wir deshalb immer, ein Hilfsmittel (z.B. Ohm oder Sandsack) zu benutzen, um Unfälle zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu sein.

Fehler 5: Zu straff gesichert

Wenig Schlappseil lautet die Devise in Bodennähe. Denn hier gilt es vor allem, einen Bodensturz des Kletterers oder einen Zusammenprall von Kletterer und Sichernden zu vermeiden. Doch viele sichern auch nach dem fünften Haken noch viel zu straff – meist in der falschen Annahme, das wäre für ihren Kletterpartner viel sicherer. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sobald die Gefahr eines Bodensturzes ausgeschlossen ist, sollte der Sichernde seinen Partner so dynamisch wie möglich sichern. Denn die Verletzungsgefahr für die Füße und Beine ist sehr groß, wenn der Kletterer zu straff gesichert gegen die Wand fliegt.

Fehler 6: Sicherungsbrille wird zu früh aufgesetzt

Oft sehen wir, dass der Sichernde die Sicherungsbrille ab dem ersten Haken trägt. Das verzerrt jedoch die Wahrnehmung der Abstände. Der Abstand des Kletterers zum Boden wird als größer wahrgenommen, als er eigentlich ist. Deshalb sollte die Sicherungsbrille frühestens ab den vierten Haken aufgesetzt werden. Damit der Sichernde nicht Gefahr läuft, dabei aus Versehen das Bremsseil loszulassen, empfehlen wir, die Brille zunächst auf die Nasenspitze zu setzen und dann ab dem vierten Haken kurz mit der anderen Hand hoch zu schieben.

Fehler 7: Unaufmerksamkeit beim Sichern

Eigentlich sollte es so selbstverständlich sein, dass der Sichernde mit voller Aufmerksamkeit bei seinem Kletterpartner ist. Aber leider beobachten wir auch hier immer wieder das Gegenteil. Sichernde lassen sich von anderen Leuten um sie herum in Gespräche verwickeln und ablenken. Viele sortieren noch in Ruhe Seil, Seilsack oder ihre Sicherungsbrille, während der Kletterer bereits am dritten Haken angekommen ist. Oder noch schlimmer: Sie schauen während des Sicherns auf ihr Handy. Wir brauchen nicht zu erklären, was passieren kann, wenn der Sichernde unaufmerksam ist oder sogar mit seinen Händen abgelenkt ist.

Bitte passt auf euch auf und setzt euch intensiv mit allen sicherheitsrelevanten Aspekten beim Klettern und Sichern auseinander. Am besten übt ihr das Sichern mit einem professionellen Trainer. Denn das Klettern soll vor allem Spaß machen und euch nicht in Gefahr bringen!